Mit ebensolcher Verwunderung wie Besorgnis haben die in der Bundesarbeitsgemeinschaft der Fanprojekte (BAG) organisierten sozialpädagogischen Fanprojekte jüngste Äußerungen aus den Innenministerien einzelner Bundesländer bzw. vom Vorsitzenden der Innenministerkonferenz zur Kenntnis genommen. So plädierte der sächsische Innenminister Ulbig in Interviews dafür, Fußballfans mit Stadionverbot mit Name und Foto, quasi an einer Art „Pranger“, am Stadioneingang auszuhängen. Darüber hinaus drohte er für den Fall eines vom Jugendhilfeausschuss beschlossenen Trägerwechsels bei einem örtlichen Fanprojekt mit der Einstellung der Förderung durch den Freistaat. Hessens Innenminister Rhein fordert eine Rückkehr zum generellen Alkoholverbot in Fußballstadien und will dieses auch auf sämtliche An- und Abreisewege ausdehnen. Zudem unterstellt er der Ultra-Bewegung pauschal Männlichkeitskult, ausgeprägte Homophobie und Gewaltverherrlichung. Die Bundesarbeitsgemeinschaft der Fanprojekte weist derartige Äußerungen oder Forderungen als plumpen Populismus zurück. Pranger gehören ins Mittelalter. Ferner können wir seit der Lockerung des Alkoholverbotes, die auch aktuell lediglich auf Ausnahmegenehmigungen auf lokaler Ebene beruht, in den Stadien ab Ende der 90er Jahre nicht nur keinen signifikanten Anstieg von Gewalt feststellen, sondern es existiert auch kein wissenschaftlicher Nachweis über kausale Zusammenhänge zwischen Alkoholgenuss und Gewalttätigkeit, ganz abgesehen von einer Durchsetzbarkeit von Verboten auf den Reisewegen. In der aktuell die Fankurven prägenden Ultra-Bewegung spielt Alkohol – vor allem auch im Vergleich zu vorangegangenen Generationen – ohnehin eine eher untergeordnete Rolle. Die Stigmatisierung dieser gesamten Bewegung durch einige wenige, für uns zudem nicht nachvollziehbare, Schlagworte ruft unsere Empörung hervor. Mit derart fahrlässigen populistischen und pauschalisierenden Aussagen gefährden die Innenminister die vielen Versuche ihrer unterstellten Polizeien, in einen ernstgemeinten Dialog mit den Fans zu treten. Sie sind dazu geeignet, Gräben zu vertiefen als Brücken des Dialogs zu bauen. Fans, die derart undifferenziert dargestellt werden, sehen sich vielmehr in ihren Vorurteilen Politik und Polizei gegenüber bestätigt.
Die BAG verwahrt sich zudem entschieden gegen Bestrebungen, dirigistisch per Fördermittelentscheidung in die inhaltliche Arbeit von örtlichen Fanprojekten einzugreifen. Fanprojekte sind Einrichtungen der Jugendhilfe und kein verlängerter Arm von Innenministerium oder Polizei, und ihre Unabhängigkeit ist ebenso zu respektieren wie souveräne Entscheidungen der legitimen lokalen Fachgremien.
Wir fordern die Innenminister auf, den positiven Geist des gemeinsamen Kongresses „Feindbilder ins Abseits“ vom Jahresanfang wieder aufzunehmen. Die Fanprojekte unterbreiten der Innenministerkonferenz ein Gesprächsangebot, um scheinbare Informationsdefizite ausgleichen zu helfen.
i.A. Matthias Stein
BAG Sprecher